Ein geschichtlicher Rückblick zeigt die Grundlagen unserer westlichen Demokratie.
Das Christentum konnte sich im Westen des römischen Reiches ohne den römischen Kaiser mit dem Papst in Rom selbständig entwickeln. Der Papst ermächtigte die fränkischen Könige zu (west)römischen Kaisern, um die Trennung von Staat und Kirche nach der Idee von Augustinus zu verwirklichen. Es kam im Mittelalter zu Konflikten zwischen Kirche und Staat, zwischen Papst und Kaiser. Vordergründig ging es um die Einsetzung der Bischöfe, im Hintergrund ging es um die Jesusworte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ und „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.“ Im Unterschied zum orthodoxen Ostrom und später dem orthodoxen Moskau konnte sich das Christentum im katholischen und evangelischen Bereich besser entfalten. Es entwickelten sich verschiedene Modelle: eine aktive Kooperation in Österreich und Bayern, evangelische Landeskirchen in Deutschland, strikte Trennung von Kirche und Staat in Frankreich und den USA, reformiert-evangelische Staatskirchen in Großbritannien und Skandinavien, aber auch katholische Staaten wie Malta. Die aktive Religionsfreiheit setzte sich in allen europäischen Ländern durch und auch die Kirchen bekannten sich dazu. Bei der Religionsfreiheit geht es um die Freiheit, die Religion zu wechseln und die eigene Religion öffentlich und ohne Diskriminierung zu leben.
In Ländern mit einem hohen Anteil von Christinnen und Christen kann Demokratie entstehen. Die Christenheit bringt ihre Distanz zur individuellen Gewalt, die Ablehnung von Rache, die Arbeit für das Gemeinwohl, das Interesse für Bildung und die Toleranz zu anderen Bekenntnissen in die Gesellschaft ein. Das sind zum Unterschied zu anderen Religionen gute Voraussetzungen, sodass Demokratie und Gewaltenteilung in einem Staat entstehen können.
Ernst-Wolfgang Böckenfördes Satz bewahrheitet sich immer wieder: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“