Wunder: die Ereignisse Gottes

Christoph Böttigheimer
Ich liebe Bücher. Wenn ich in die Buchhandlung gehe, komme ich fast nie ohne ein Buch heraus. Vor Kurzem lachte mich in der Herder-Buchhandlung ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „Wie handelt Gott in der Welt?“ an. Da der Untertitel „Reflexionen im Spannungsfeld von Theologie und Naturwissenschaft“ sehr solide klang, schlug ich zu. Ich wurde nicht enttäuscht. Der Autor Christoph Böttigheimer beschreibt die verschiedenen naturwissenschaftlichen Überlegungen zum Handeln Gottes und bringt zwei theologische Ansätze, die das Handeln Gottes „grundsätzlich als ein zweitursächliches Geschehen“ begreifen (Böttigheimer 264). Die zweiten Ursachen sind die Ursachen in dieser Welt zum Unterscheid von der einen Erstursache, der Ursache von allem, die Gott ist. Er ist der großartige Grund von allem, was im Augenblick existiert. Die Schwierigkeit ist ja nicht diese Erstursache zu denken, denn dass alles einen Grund hat, kann man durchaus annehmen. Auch dass dieser Grund sich einigen Menschen wie Abraham oder Moses offenbart, ist durchaus einsehbar. Was hingegen für einige sehr unklar ist, ist das direkte Eingreifen Gottes in den Ablauf der Welt. Der Dominikaner Thomas von Aquin schlug im 13. Jahrhundert vor, dass Gott in außergewöhnlichen Augenblicken zweitursächlich „an der Ordnung der Dinge vorbei“ handeln wird können. Der Jesuit Karl Rahner und andere Theologen im 20. Jahrhundert lehnten dieses Vorbeihandeln Gottes an der Ordnung der Dinge ab und begannen, die innerweltlichen Ursachen als Mittel von Gottes Wirken zu sehen. Der Autor stellt nun Béla Weissmahr vor, ebenfalls ein gelehrter Jesuit, der das Handeln Gottes durch die Vermittlung der Geschöpfe sieht. Er schlägt vor, von „der Eigendynamik, der „Selbstüberbietung“ der Geschöpfe auszugehen“(Böttigheimer 265). Diese „Seinszunahme“ der Dinge und damit auch die Evolution hat in Gott die absolute Ursache. Die Geschöpfe bringen kraft ihrer von Gott ermöglichten Eigendynamik Neues hervor und überbieten sich selbst.

Béla Weissmahr
Ich muss jetzt unbedingt diese interessante und komprimierte Beschreibung von Wunder bringen, die Christoph Böttigheimer bei Béla Weissmahr gefunden hat:
Ein Wunder wäre demnach „ein außergewöhnliches, unserer Vorverständnis in Bezug auf das innerweltlich Mögliche gleichsam sprengendes Ereignis, durch welches der transzendente Gott mittels der eigenen, zum Hervorbringen auch von Neuem und Unvorhergesehenem fähigen Kräfte des Geschöpfes, d.h. weltimmanent wirkend, auf unerwartete Weise innerweltliche Rettung oder irdisches Heil dem Menschen schenkt und somit seine persönliche, auf unbedingtes Heil ausgerichtete Liebe zeichenhaft in der Materialität der Welt zum Ausdruck bringt.“ (Weissmahr S. 42)
Die Selbstüberbietung eines Geschöpfes kann sehr weit gehen. Der Salzburger Theologe Bernhard Wenisch geht einen Schritt weiter und sieht die Möglichkeit Gottes, „durch einen Schöpfungsakt die Seins- und Wirkmacht eines Geschöpfes über die normalen Wesensgrenzen, die diesem Geschöpf eigen sind“, hinaus zu erweitern.“Gott schafft jene Wirkkraft, die sich im Wunder auswirkt, in das Geschöpf hinein“ und mit „Hilfe dieser neu ihm geschenkten Wirkkraft erwirkt dann das Geschöpf jenen Effekt, den Gott beabsichtigt.“ Wunder ereignen sich dadurch durch ein Zusammenwirken von sich selbst überbietenden Geschöpfen und den heilenden und das Wesen übersteigenden Wirkkräften Gottes.
Übrigens: Das Buch von Bernhard Wenisch habe ich mir übers Internet gleich bestellt. Es war kaum mehr aufzutreiben.
Literatur:
Christoph Böttigheimer, Wie handelt Gott in der Welt? Reflexionen im Spannungsfeld von Theologie und Naturwissenschaft, Freiburg i. Br. 2013, Herder
Béla Weissmahr, Gottes Wirken in der Welt – das Verhältnis von göttlicher und innerweltlicher Ursache, in: R. Isak (Hg.), Glaube im Kontext naturwissenschaftlicher Vernunft, Freiburg i. Br. 1997, 23-42
Bernhard Wenisch, Geschichten oder Geschichte? Theologie des Wunders, Salzburg 1981, Verlag St. Peter
Interessant auch:
Willibald Sandler, Gottes Handeln unterscheiden in Theologie und Erfahrung (Auf dem Weg zu einer theologischen Kriteriologie für unterscheidbare Zuordnungen von Gottes Handelns) Innsbruck 2008 Online
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