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Hier leiden die Heiden: Paradies Glaube

Jesus bespuckt gegeißelt, ausgestoßen

Jesus, Gottes Sohn wird bespuckt, gegeißelt und ausgestoßen (Bild aus „Passion Christi“).

Die Sündenbockreligion von Ulrich Seidl

Abgesehen von der Milieuschilderung mit volksreligiösen Versatzstücken ist der Film „Paradies Glaube“ von Ulrich Seidl eine Dreiecksgeschichte, bei der der schwächere Teil den Kürzeren zieht. Ein Moslem verlässt seine Frau, die sich in der Zwischenzeit dem halb anwesenden Jesus Christus zuwendet. Inwiefern sie sich in ihn verliebt, bleibt unklar. Als der moslemische Mann einen Unfall erlebt und auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kommt er zur Ehefrau zurück und lässt sich pflegen und bedienen.

Da sie nicht mit ihm schlafen möchte, entwickelt der Ehemann eine Eifersucht auf Jesus, den Liebhaber seiner Frau und wirft ihn von der Wand und auf den Boden. Er macht etwas, das die Nazarener mit Jesus schon tun wollten: Die Männer in Nazaret sprangen auf und trieben Jesus aus der Stadt hinaus, bis an den Rand des Berges, auf dem Nazaret liegt. Dort wollten sie ihn hinunterstürzen. Aber Jesus ging mitten durch die Menge hindurch und zog weiter (Lukas 4,29-30).

Die ungläubige Christin ahmt zum Schluss ihren aggressiven moslemischen Mann nach. Auch sie greift ihren ohnmächtigen Exliebhaber frontal an. Sie geißelt ihn und bespuckt ihn. Der Film bricht gerade hier ab, wo die Geschichte interessant wird. Was macht es mit den beiden, wenn sie Jesus umbringen?

Beide machen Jesus  zu ihrem Sündenbock, eine Rolle, die er von außen gesehen in der Passion am Karfreitag einnimmt. Da schreit der Pöbel: Ans Kreuz mit ihm! Und der Hohe Priester Kajaphas sagt bei der Beratung: Ihr bedenkt nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht (Joh 11,50).

Ulrich Seidl als Hoher Priester Kajaphas

          Regisseur Ulrich Seidl übernimmt die Rolle des Hohen Priesters und lässt Jesus für das Publikum sterben. Bei den Filmvorführungen im Kino lachen am Anfang noch einige. Dann wird es immer unheimlicher im Saal und zum Schluss lächeln einige zufrieden, wenn die ungläubige Christin Jesus geißelt. Jetzt wissen sie, wer vermeintlich schuld an ihrer Misere ist. Recht geschieht ihm. Warum lässt er sich auch zum Sündenbock stempeln.

Was in dem Film gezeigt wird ist die heidnische Hölle. Menschen rivalisieren, konkurrieren und stoßen Schwächere aus. Mit dem Ausstoßen des Dritten beginnt nach René Girard die archaische Religion. Diese Ausstoßung schafft Frieden unter den Rivalen. Das Publikum ist zufrieden.

Dieser Film zeigt die neue heidnische Religion in Europa. Der göttliche Liebhaber als schwächerer Teil wird verstoßen und dem Ganzen wird der Spezialpreis der Jury beim Filmfestival in Venedig verliehen. Die neuen Priester wissen, wen sie ausstoßen müssen: Gott. Sie wissen auch, wen sie dafür instrumentalisieren können: einen querschnittgelähmten Moslem. Die neue heidnische Religion instrumentalisiert den Islam, um Gott zu vertreiben. Was bleibt, ist eine Seidlsche Hölle von Rivalen, die sich bekämpfen. Das Rutschen auf den Knien, das Masturbieren mit dem Kreuz und die Selbstgeißelung bleibt Dekoration. Diese schockierenden Phänomene werden aufgeboten, um zu verdecken, dass es um eine Ausstoßung geht, bei dem das Opfer, der göttliche Liebhaber unschuldig ist.

Diese Art von heidnischer Religion geht am Christentum voll vorbei. Zwar hat auch das Christentum archaische Einsprengsel, die von außen gesehen Ähnlichkeiten mit den Sündenbockreligionen haben. Aber der innere feurige Kern der Christenheit ist eine Offenbarung. Es ist die Offenbarung der Herrlichkeit der Liebe Gottes. Ulrich Seidl als Hoher Priester des Sündenbocks verkennt das Zentrale der christlichen Religion und muss deshalb Archaisches auf die Leinwand werfen.

Auch die römischen Soldaten 30 n. Chr. sehen in Jesus nur das Opfer ihrer kollektiven Gewalt. Christus hingegen übernimmt nicht die Sichtweise seiner Mörder, er betet für seine Peiniger: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Er sieht sich als Sohn des Vaters, in dessen Herrlichkeit er hineingeht. Wenn die ungläubige Christin im Film an Jesus geglaubt hätte, dann würde sie mit den Armen ein wunderbares Fest feiern. Das wäre die christliche Sicht von „Paradies Glaube“ gewesen. So aber kann man als Christin und Christ nur sagen: Vater, vergib dem Regisseur, den Schauspielern und manchen Zuschauern, sie wissen nicht, was sie tun!

Jesu Geburt ist um Himmels Willen nicht alles!

Geburt des Gottessohnes und die Erscheinung Gottes

Geburt des Gottessohnes und die Erscheinung Gottes

Wir, die Christinnen und Christen warten auf zwei Ereignisse im Advent. Das erste ist die Geburt des Gottessohnes unter uns. Es ist nicht nur ein Ereignis vor 2000 Jahren in Betlehem, sondern die Geburt ereignet sich unter uns. Es ist eine Geburt, die wir als Gesamtheit der Christenheit als unsere Geburt in Jesus Christus erleben. Wir, als Christenheit sind der lebendige Christus, der zu Weihnachten geboren wird. Es ist dies unsere eigene  Geburt von uns als Christinnen und Christen.

Das zweite Ereignis, das wir zu Weihnachten erwarten, ist die Wiederkunft Christi und die Erscheinung Gottes. Es ist die Schau vom Ende der Welt. Wir dürfen ans Ende der kosmischen Geschichte sehen. Was sich dort abspielt, ist der Sieg über das Böse und das Hineingehen in die unendliche Liebe und Herrlichkeit Gottes.

Wie ist das möglich und wie ist das genauer? Durch die Taufe sind wir Christinnen und Christen in das Christusereignis hinein getaucht und erleben jedes Sakrament und jede Feier als Teil in diesem Christusdrama. Wir werden mit Christus geboren, leben mit Christus in Israel, leiden mit ihm, sterben mit ihm und werden mit ihm von seinem göttlichen Vater auferweckt. Wir dürfen schon das Ende sehen, wo wir das Kommen Jesu schauen, seine endgültige Überwindung des Bösen und wie er uns in die Herrlichkeit des Vaters führt.

Zu Weihnachten erleben wir die Geburt, die sich neun Monate davor schon angekündigt hat. Die Christenheit ist in diesen neun Monaten mit Maria schwanger und geht mit ihr und Josef nach Betlehem. Die letzten Wochen und Tage vor Weihnachten erleben wir intensiv diese Schwangerschaft. Wir sind mit Christus schwanger und erleben in Betlehem die Geburtswehen.

Neues zum Thema Frauenpriestertum: Augustinus

Maria und die Apostel versammeln sich und der Heilige Geist erfüllt sie

Maria als Gemeindeleiterin und die Apostel versammeln sich und der Heilige Geist erfüllt sie.

Es erscheint heutzutage wichtiger denn je, auf die Lösungen in der Geschichte zu blicken, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und kreative Überlegungen für die Probleme von heute anzubieten. Es überrascht, dass gerade Augustinus zum Frauenpriestertum Lösungen anbietet.

Der heilige Augustinus sah sich nach seiner Bekehrung einer gespaltenen Kirche gegenüber. In der Zeit der Christenverfolgung blieben einige standhaft und andere arbeiteten mit den römischen Behörden zusammen. Bischöfe übergaben den römischen Behörden ihre heiligen Bücher und Priester opferten dem Kaiser. Es entstand ein Streit, ob diese Abgefallenen nach der Verfolgungszeit weiter Sakramente spenden können. Die Sakramente könnten ungültig sein. Diejenigen, die die Sakramente für ungültig hielten, wurden nach ihrem Bischof Donatus Donatisten genannt. Sie sahen sich als Kirche der Märtyrer und hatten bald eine eigene Hierarchie. Sie gingen in Nordafrika teilweise gewalttätig gegen Katholiken vor.

Augustinus sah hingegen die Kirche als Gemeinschaft von fehlerhaften Menschen, die von Gott beschenkt werden. Der wirkliche Spender des Sakramentes war für Augustinus Christus selber. Der Mensch hingegen ist ein Werkzeug Gottes, der die Gnadengaben vermittelt. Er macht das an einem Bild deutlich: „Ob das Rohr, durch welches Wasser fließt, aus Blei oder Gold ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass das Wasser fließt.“

Später hat die katholische Kirche im Konzil zu Trient das Geschehen als „Ex Opere Operato“, das heißt „durch die vollzogene Handlung“, benannt. Wenn es um den Vollzug geht, ist es unerheblich, ob jetzt ein Mann oder eine Frau das Sakrament spendet. Die Kirche fügte auch hinzu, dass die Gültigkeit dann gegeben ist, wenn der Spender das Sakrament auch spenden will. Dieses Wollen kann auch eine Frau.

Die Gnadengaben fließen. Christus ist der Spender, Ex opere operato, der Vollzug zählt.

Die Gnadengaben fließen. Christus ist der Spender, Ex opere operato, der Vollzug zählt.

Es gibt Sakramente, die Frauen offiziell in der katholischen Kirche spenden. In der Ehe spendet die Frau dem Mann und der Mann der Frau das Sakrament und die Gnadengaben Gottes. In der Taufe kann in einer Notsituation jeder Mensch (ob Frau oder Mann) das göttliche Sakrament spenden. In beiden Situationen sind Frauen sakramentale Vermittlerinnen der göttlichen Gnadengaben. Auch eine konkrete Frau, Maria, die Mutter Gottes, ist eine sakramentale Vermittlerin der göttlichen Gnadengaben.

Die anderen Sakramente können nach dieser Sakramentenlehre der katholischen Kirche auch von Frauen gespendet werden, wenn sich die Kirche auf ihre Geschichte besinnt. Die Frauen können als Vorsteherinnen der Eucharistiefeier dadurch auch die Vermittlerinnen der göttlichen Gnadengaben sein. Dass sie das heutzutage nicht können, ist eine Einschränkung, die auf die ersten Jahrhunderte zurückgeht, wo die Christenheit einen Kompromiss gegenüber der Antike einging. Heutzutage ist dieser Kompromiss nicht mehr notwendig.

Ob der Mensch, durch welchen die Gnadengaben fließen, männlich oder weiblich ist, spielt für Christus keine Rolle. Entscheidend ist, dass die göttlichen Gnadengaben fließen.

Hannes Daxbacher

Warum die christlichen Kirchen an die Dreifaltigkeit glauben

Bevor die Erde erschaffen wurde, gab es schon Gott. In ihm liebte Gott Vater Gott Sohn im Heiligen Geist und Gott Sohn liebte Gott Vater schon vor der Erschaffung der Welt im Heiligen Geist.
1.
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Der Geist schwebte über dem Wasser. (Genesis 1)
Der Heilige Geist war bei der Schöpfung dabei. Er legte sich als Geist in die Materie und gab der Materie ein Ziel: Auf den Gott Sohn sich hin zu entwickeln.
2.
Im Anfang war das Wort (Logos), und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtete in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst…(Johannes legte Zeugnis ab für das Licht) Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.
(Johannes 1, 1-5.9)
Jesus: Ich bin das Licht der Welt (Johannes 8,12)
Das Johannesevangelium bezeugt: Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. (Johannes 1,11)
Das Johannesevangelium sagt ganz deutlich: Und das Wort (Logos) ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. (Johannes 1,14)
3.
Die erste Taufformel besagt:
Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Mit dieser Formel taufen die Jünger im Auftrag Jesu:
Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Matthäus 28,18-20)
(Diese Taufformel ist auch in der Didaché bezeugt (Didaché 7,1)
4.
Die Liebe zwischen Gott Vater und Gott Sohn ist so stark, dass diese Liebe eine eigene Person ist, der Heilige Geist. Wenn Gott Sohn in Maria Mensch wird, kommt der Heilige Geist über sie. Wenn Jesus sich taufen lässt, kam der Heilige Geist auf ihn herab und führte ihn 40 Tage in die Wüste. Am Ende seines Lebens gab er den Heiligen Geist Gott Vater wieder zurück. Die Auferweckung ist das Zeichen Gott Vaters, dass Jesus sein geliebter Sohn ist. Als Auferstandener sendet er seinen Jüngern den Heiligen Geist. Dieser wirkt unter uns.

5. Jesus Christus als Brot
Jesus Christus ist bei uns bis zum Ende der Welt (Matthäus 28,18-20). Er sagt: Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Matthäus 18,20). Deswegen kann er unter uns auch in Form des Brotes in der Messe anwesend sein.

6. Jesus Christus erfüllt das Gesetz.
Paulus sagt: Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen.“ (Galater 5,13)
Durch Christus ist wirkliche Freiheit möglich. Menschen sind nicht frei, weil sie sich von Gott abwenden. Das jüdische Gesetz fordert die Hingabe an Gott, aber zeigt auch, dass Menschen Sünder sind, weil die Gesetze übertreten werden. Wenn Menschen aber mit Jesus Christus leben, ist das Gesetz zu Ende gekommen (Römerbrief 10,4: Jesus Christus ist das Ende des Gesetzes) und von Jesus erfüllt (Matthäus 5,17). Der Sünder, der mit der Taufe in den Lebensraum des Auferstandenen eintritt, darf in der Liebe Christi angstfrei glauben, hoffen und lieben.

Das leere Grab ist eine Manifestation Gottes

Das leere Grab ist für mich der Eingriff Gottes in die Geschichte. Egal, ob er der einzige oder einer von vielen großen Eingriffen ist, er ist für mich ein gutes Zeichen. Es gab ja einen zweiten Raum in Israel, der leer war, das Allerheiligste im Tempel. Er war die Manifestation der Herrlichkeit Gottes, in den der Hohepriester am Versöhnungstag hineinging und das Versöhnungsgebet sprach. Das leere Grab ist eine andere Manifestation. Es ist die Bestätigung der Liebe des Vaters zum Sohn. Der Vater nahm den ganzen Sohn, mit Leib und Seele, in die Herrlichkeit Gottes. Dieser Sohn möchte uns mitnehmen in die Herrlichkeit Gottes.

Ich vermute, dass die Zeit des mechanistischen Weltbildes vorbei ist, in dem alles nach Naturgesetzen abläuft und jeder Eingriff Gottes geleugnet wird. Anscheindend ist es möglich, Vertrauen in die Welt mit ihren Gesetzmäßigkeiten zu haben und gleichzeitig Vertrauen in den Schöpfergott zu haben, der durch seine Eingriffe unser planendes Handeln nicht verunmöglicht. Denn wenn ich jeden Tag einen großen Eingriff Gottes erleben würde, wäre ein planendes Handeln nicht möglich. Es gibt sicher Eingriffe Gottes, die wir nicht bemerken und die erst im Nachhinein erahnt werden. Das Ereignis vom leeren Grab ist für mich wie der brennende Dornbusch eine Selbstoffenbarung Gottes.

Thesen für ein neues religiöses Verständnis (1. Version)

  1. Es geht nicht ums Christentum, sondern um die Nachfolge Jesu. Jesus ist für alle da, über Konfessionsgrenzen, aber auch über Religionsgrenzen hinaus.
  2. Bibelgetreues Christentum ist eine Mischung aus Frohbotschaft und Drohbotschaft, denn die Bibel – auch das Zweite Bundesbuch (= NT) – enthält Texte verschiedener Qualität und verschiedener Herkunft, die einander – vor allem vom Geist her – teilweise widersprechen und die teilweise ein Kirchenbild liefern, das jetzt und in Zukunft nicht mitgeschleppt werden darf. In diesem Sinn gehe ich in meinen Bibelbearbeitungen (die nächste erscheint zum Jahreswechsel) einen neuen Weg.
  3. In den ersten ökumenischen Konzilien wurde eine Tradition entwickelt, die weitgehend der Hellenisierung des Christentums entsprach. Auf so gut wie alle Begriffe der antiken Metaphysik und die darauf aufbauende Dogmatisierung können wir heute verzichten. In diesem Sinn gehe ich in meinen Sachbüchern (das nächste erscheint im Frühjahr 2011) einen neuen Weg.
  4. Monarchische, autokratische Strukturen sind nicht dazu geeignet, Leben und Anliegen Jesu widerzuspiegeln.
  5. Alle Menschen, die Jesus nachfolgen, haben die gleiche Verantwortung und Würde. Die Teilung der Menschen in den sogenannten Klerus und die sogenannten Laien ist abzulehnen. Die volle Gleichbehandlung von Mann und Frau ist unumgänglich. Für die Ausübung von Funktionen muss es eine demokratisch legitimierte Beauftragung geben.
  6. Alle Gemeinschaften im Namen Jesu haben die gleiche Verantwortung und Würde. Es ist unumgänglich, dass die Gemeinschaften einander voll anerkennen und einander volle Teilnahme an allen liturgischen Feiern gewähren, einschließlich Abendmahl. Dachorganisationen sind wünschenswert.

Diese Thesen sind ein Versuch, in Kurzform etwas von dem festzuhalten, was ich in meinen Büchern erarbeite. Ich habe die Thesen in Hinblick auf die Gruppe „Christlich-ökumenisch“, die ich in Facebook gegründet habe, in einer ersten Version aufgestellt.

Die Thesen stellen mein persönliches Verständnis dar. Sie sind formuliert ohne Rücksicht auf das, was derzeit durchsetzbar ist. Ich freue mich auf Euer Feedback.

Werner Krotz

Rivalitäten und Lösungen

Ein Vater streitet mit seinem Sohn um eine Wohnung und obwohl beide wohlhabend sind, steigt der Ärger der beiden und sie bringen zum Treffen Schusswaffen mit. Bei dieser Auseinandersetzung erschießt der Vater seinen Sohn. Das Begehren und die Rivalität, gerade von Personen, die sich sehr nah sind, beschreibt René Girard in der mimetischen Theorie. Ich frage mich, welche Lösungsmöglichkeiten sind vorstellbar.
Es können mehrere Ebenen unterschieden werden, auf denen Lösungen möglich sind.
1.    Die Ebene des Begehrens: Dass wir Menschen kein Maß kennen, wissen die Religionen seit alters her.
a.    Der Buddhismus meint, die Ursache des Leidens sei die Gier und die Leidenschaft. Deshalb sollten wir die Gier in der Meditation beherrschen lernen, aber auch im sonstigen Tun die Leidenschaften auf Null bringen.
b.    Das Judentum setzt das 10. Gebot (das im Katholischen auf 9. und 10. aufgeteilt ist) dagegen: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau und Gut.
c.    Das Christentum tauscht das Objekt des Begehrens aus. Nicht deines Nächsten Frau und Gut sollst du begehren, sondern Gott: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Dadurch wird der Natur des Menschen entsprochen, die Leidenschaft hat ein Ziel und man muss sie nicht unterdrücken. Die Mystiker im Judentum und im Islam gehen ebenfalls diesen leidenschaftlichen Liebesweg. Dieser minimiert schon die anderen Bereiche, das Nachahmen und die Konkurrenz. Aber der Tausch des Objektes allein kann die Nachahmung von Gewalttätern nicht verhindern, wie wir im Islam (Selbstmordattentate) oder in Israel (Gezielte Tötungen) sehen.
2.    Die Ebene der Nachahmung: Viele Tätigkeiten basieren auf unbewusster Nachahmung. Es ist deshalb die Frage wichtig: Wen wollen wir nachahmen? Ist es der Sieger? Ist es der Freund? Ist es die Mutter, der Vater? Ist es Buddha, ist es Jesus, ist es Maria? Ist es Gott? Ist es der Heilige Geist? Ist es ein Filmschauspieler? Ist es ein Manager? Mahatma Gandhi? Mutter Teresa? Hitler?
Konkurrenz und Hass lösen unangenehme Gruppensituationen aus, die in Gewalt umschlagen können. Um die Gewalttätigkeiten zu minimieren, wären gewaltfreie Vorbilder zweckmäßig: Gandhi, eventuell Buddha und – Jesus. Bei letzterem wäre auch ein zweiter Vorteil gegeben: Er wäre auch ein Vorbild in der Gottesliebe, dem Gott – Begehren. Er hat sich selber geachtet, hat seine Nächsten geliebt und hat mit Gott eine sehr intensive Beziehung gepflegt. Hat er im Garten Gethsemani noch gebeten: „Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ und betete er noch am Kreuz den Beginn des Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, so übergab er am Ende seinen Geist in Gottes Hände (Lk 23,46; Ps 31,6). Alle Vorstellungen und Bilder von Gott wurden ihm gelöscht und es blieb ihm nur mehr die Hingabe – an Gott.
Jesus ist in vierfacher Weise ein Vorbild: In der Gewaltlosigkeit, in der Liebe zu den Mitmenschen, in der Liebe zu sich selbst und in der Liebe zu Gott. Insofern können wir ihn nachahmen und ihm nachfolgen.
3.    Die Ebene der Rivalität: Jesus liebt Gott als seinen Vater. Wir Christen lieben Gott als unseren Sinnhorizont. Gott sagt zu mir: Du bist mein Sohn oder du bist meine Tochter. Stehe ich in Rivalität zu Jesus, der sein geliebter Sohn ist? Der heilige Gott ist kein Gegenstand und kein Wesen, um dessen Gunst wir streiten. Er ist der Horizont, der alles zusammen hält.  Auch hat Gott (in seiner Weisheit) seine zweite göttliche Person Mensch werden lassen: Jesus, der Gesalbte, der Messias, ist damit auch der unendliche Gott. Dadurch enthebt er sich der Rivalität mit uns Menschen. (Nach dem unendlich großen Gott sehne ich mich und stehe nicht in Konkurrenz zu ihm.)
Warum hat sich Jesus gefangen nehmen lassen? Warum hat er sich nicht mit dem Schwert gewehrt? Er wollte nicht in Konkurrenz zu den Mächten dieser Welt treten und ein Konkurrent mehr auf der Erde sein.
4.    Die Ebene des Sündenbockmechanismus: Die hysterische Masse schreit: „Kreuzige ihn!“ Ob das Juden sind oder Griechen, es ist egal. Es ist ein Massenfuror, bei dem Petrus Jesus verleugnet, seine Jünger sich verkriechen und vor dem Pilatus sich beugt („Besser es stirbt einer.“). Die Masse jubelt, denn die Konkurrenz untereinander ist (für kurze Zeit) vorbei. Auf diesem Massenwahn reitet der Teufel. (Auch bei den Nazis.) Jesus kommt durch seine konsequente Liebe in die Gewaltmühle des Sündenbockmechanismus. Dadurch führt er die Brutalität der Massen und der Mächtigen vor und deckt sie auf.
5.    Die Ebene der Schuld und der Unschuld: Er zeigt, dass man völlig unschuldig zum Sündenbock werden kann. Seit Jesus sind die Opfer von Gewalt, Folter und Terror unschuldig. Gott wird ein Bruder der Opfer von Gewalt und Terror.
6.    Die Ebene der mythologische Tünche: Der Massenwahn wird entweder den Juden in die Schuhe geschoben, indem man sie zu Gottesmördern macht oder man verteidigt die Juden und findet das „Kreuzige ihn!“ eine Lüge. In beiden Fällen wird der Massenwahn nicht ernst genommen. Denn jeder und jede Gruppe kann diesem Massenwahn verfallen. Es geht nicht um Antijudaismus oder Antisemitismus, sondern um menschliches Verhalten, das von „Jeder gegen jeden“ zu „Alle gegen einen“ mutieren kann.
Die zweite Lüge besteht im Sühnemythos. Einige behaupten, Jesus musste sterben, damit Gott wieder  freundlich zu den Menschen ist. Einige meinten, er musste Gott mit den Menschen versöhnen und er starb als Opfer, weil wir Menschen so schlecht sind. Dieser Sühnemythos geht davon aus, dass Gott ein strafender Gott ist, der das Opfer seines Sohnes braucht, um wieder freundlich zu sein. Dadurch wird Jesus eine mythologische Figur und alle gewalttätigen Mächte bei der Passion Jesu werden gerechtfertigt. Judas musste ihn ausliefern, Pilatus musste ihn ans Kreuz nageln lassen. Alles geschah, damit er Gottes Wunde heilt, die die Menschheit ihm zugefügt hat.  Das ist eine Lüge, wie viele Mythen Lüge sind.
7.    Die Ebene des allgemeinen Göttlichen: In Wahrheit ist der allgemeine, vernünftige Gott ein Gott der Liebe: Jesus, sein Sohn liebte ihn. Deswegen musste er sterben. Er starb aus Liebe zu ihm und damit wir Gott und den Nächsten lieben können.
8.    Die Ebene der Absonderung: Er starb wegen unserer Sünden: Sünde ist Absonderung von Gott, Gottferne. In der Gottferne sind wir Konkurrenten. Damit wir keine Konkurrenten mehr sind, sondern Brüder und Schwestern, brauchen wir Gottes Nähe und ein Vorbild. Das Vorbild ist Jesus. Damit er uns ein Vorbild ist, geht er konsequent den Weg der Liebe – auch wenn es den Tod bedeutet.
9.    Die Ebene des vollen Glücks: Damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt: Glück hier auf Erden und Glück im Himmel – beides schenkt uns der liebende und vernünftige Gott, indem er sich in Jesus und im Geist offenbart.

Literatur:
René Girard, Das Heilige und die Gewalt. Fischer, Frankfurt a. M. 1994, zuletzt Düsseldorf, Patmos 2006
René Girard, Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. Hanser, München 2002, ISBN 3446202307
Wolfgang Palaver: René Girards mimetische Theorie. Im Kontext kulturtheoretischer und gesellschaftspolitischer Fragen. 3. Auflage. LIT, Münster 2008, ISBN 9783825834517
Raymund Schwager, Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (ITS 29). Innsbruck 2. Auflage 1996. ISBN 3-7022-1746-0 online

Autor: Hannes Daxbacher