Archiv der Kategorie: Philosophie

Paulus: Das entleerte Subjekt

Die Revolution des Christentums

Ein Freund auf Facebook gab mir den Tipp, Alain Badious Buch über Paulus mir zu Gemüte zu führen.

Ich las die Beschreibung des Buches und war gleich begeistert:

Der Apostel Paulus ist aktueller denn je. Einige der wichtigsten Philosophen der Gegenwart, darunter Giorgio Agamben und Slavoj Žižek, haben ihm Monographien gewidmet; Alain Badiou war der Erste, der in ihm ein Gegenmodell zum politischen und geistigen Neoliberalismus unserer Zeit entdeckt hat. Als Prototyp eines Denkens des Ereignisses stellt Paulus für Badiou einen entscheidenden Zeugen seiner Philosophie dar.

Das Ereignis, von dem Paulus erschüttert wird, ist die Kreuzigung und die Auferstehung Christi. Ausgehend von dieser kommt Paulus zu einem revolutionär neuen Konzept von Subjektivität und sozialer Gemeinschaft. Während das Individuum genau definierte Eigenschaften besitzt, die es ideologisch auf das festschreiben, was immer schon ist, zeichnet sich das neue christliche Subjekt durch seine Eigenschaftslosigkeit aus. Es hat in der Bekehrung einen Prozess der Entleerung durchgemacht und steht vor einem voraussetzungslosen neuen Anfang, ist offen für eine neue, noch nicht vorhandene Identität, und genau darin liegt für Badiou der Kern der Subjektivität: Subjekt sein bedeutet, sich von einem Ereignis erschüttern zu lassen und ihm dann die Treue zu halten.

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Der unsichtbare Gott und seine Ersatzkörper – katholisch.de

Wie Medien den Monotheismus groß machten.

Wie konnte sich der Monotheismus durchsetzen? Birgt diese Form der Religion auch Gefahren? Und welche Vaterunser-Bitte wird tatsächlich fehlinterpretiert? Antworten gibt Eckhard Nordhofen. Ein Interview.

Sprache, Bilder, Schrift: Seit jeher ist die Geschichte der Religionen immer auch eine Geschichte von Medien gewesen. Die wechselnden Medien wurden zu Körpern der eigentlich körperlosen Götter, genauer zu „Ersatzkörpern“ – lateinisch: „Corpora“. Diesen Titel trägt auch das neue Buch von Eckhard Nordhofen, in dem der Philosoph und Publizist die Geschichte der „Gottesmedien“ rekonstruiert. Im katholisch.de-Interview spricht Nordhofen über die Entstehung des Monotheismus, das Gefahrenpotenzial des Ein-Gott-Glaubens, den entscheidendsten Medienwechsel der Menschheitsgeschichte und die Fehlinterpretation einer Vaterunser-Bitte.

Quelle: Der unsichtbare Gott und seine Ersatzkörper – katholisch.de

Umflutet zu sein von Gottes Energie

Ich lese gerade: Der Philosoph Wilhelm Schmid sieht in der Gottesfrage das Eigentliche jedweder Existenz. In der Zeitschrift “Universitas“ erklärte er über „die mögliche Liebe Gottes und die wirkliche Liebe zu Gott“: „Die Entscheidung für oder gegen die Annahme einer Transzendenz ist eine intime Frage des jeweiligen Ich, … intimer noch als andere Fragen: Kann ich mich mit der mir gegebenen Endlichkeit bescheiden, von der ich glaube, dass sie nicht zu überschreiten ist, oder will ich mich in eine mögliche Unendlichkeit eingebettet glauben, in der auch ein anderes Leben möglich ist? Wenn Letzteres, nehme ich dieses Mögliche in mein Innerstes auf, gebe meinem Glauben also einen Platz in meinem Kern, ‚im Herzen‘, nicht nur in der Peripherie meiner selbst.“
Das aber ist die Kernaufgabe von Kirche, auf sokratische Weise den Individuen Hilfestellung zu geben, selber an dieser Frage zu arbeiten, sie stets neu zu bedenken – und sie vielleicht trotz aller Zweifel positiv zu beantworten, diese Antwort zu leben. Letzten Endes geht es dabei um Sehnsucht, Wahrheit, Redlichkeit und Beziehung: um eine Beziehung der Liebe, „die die Kunst des Liebens noch einmal erweitert“. Der Philosoph nennt dafür drei Weisen: eine anfängliche, fast naive Weise, eine kindliche Liebe, „die auch über die Kindheit hinaus bewahrt werden kann und in der sich Göttliches und Kosmisches“ vermengen; eine Liebe des abrupten Ergriffenwerdens von etwas, das unendlich größer ist als ich, wie es Saulus bei seiner Bekehrung zu Paulus erlebte; schließlich eine allmähliche, reflektierte Weise der Liebe „auf Grund von Überlegungen und Gründen, die plausibel erscheinen und in einer Art von nüchterner Mystik für die Existenz von Transzendenz sprechen, etwa weil Endlichkeit ohne Unendlichkeit nicht denkbar ist und weil die vorgestellte und gefühlte Beziehung zur Transzendenz ganz andere Räume fürs Leben eröffnet“.
Aus: Johannes Röser, Wenn Leere Lehre wird. In:  Christ in der Gegenwart 33/1016 Weiterlesen

Kulturelle Evolution durch Christus in Russland?

Der neue Stabschef von Putin Anton Waino kreiert ein Gebilde mit Namen Nooskop. Es erinnert mich an einen Begriff, den Teilhard de Chardin geprägt hat, die Noosphäre, ein kulturelles Zusammenwachsen der Menschheit, die sich immer mehr vernetzt. Teilhard sieht das Ziel dieses Internets im Punkt Omega. Prozessbeschleuniger ist dabei Jesus Christus. Ich vermute nicht, dass Waino das gemeint hat. Trotzdem Danke an Anton Waino, der mich an das Zusammenwachsen der Menschheit in Jesus Christus erinnert.

Putins neuer Stabschef und dein „Nooskop“

Teilhard de Chardin
Gott und die Evolution

Mit Religion und Vernunft eine neue Aufklärung

Ich lese gerade die Überlegungen von Pankaj Mishra, der gestern mit Juncker das Forum Alpbach eröffnete. Er wendet sich gegen die Fetischierung der alten Aufklärung und erinnert an Václav Havel, der meinte, dass eine aufrichtige, tiefgreifende und dauerhafte Veränderung hin zum Guten nicht mehr aus dem Sieg eines bestimmten traditionellen Konzepts resultieren könne. Er meinte, dass eine solche Veränderung von der grundlegenden Neupositionierung der Menschen in der Welt, ihrer Beziehung zu sich selbst, zueinander und zum Universum herrühren müsse. Mishra: Aber wenn die Aufklärung „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ war, dann ist diese Aufgabe, diese Pflicht, wie Kant schreibt, nie erfüllt; jede Generation muss sie unter wechselnden politischen und kulturellen Umständen erneut wahrnehmen, so wie es die Improvisatoren und Innovatoren der europäischen Nachkriegszeit vorgezeigt haben. Die Aufgabe derjenigen, die die Freiheiten der Aufklärung schätzen, besteht darin, diese Freiheiten neu zu denken – in unseren unwiderruflich durchmischten und extrem ungleichen Gesellschaften, in der weiteren, eng verflochtenen Welt – mittels eines Ethos der Kritik, gepaart mit Mitgefühl und grenzenloser Selbsterkenntnis. Nur dann können wir wirklich behaupten, aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit herausgekommen zu sein.

Pankaj Mishra: Wir brauchen eine neue Aufklärung  aus: Standard, 20.8.2016

Ein Chinese und ein Libanese schrieben bei den Menschenrechten mit.

Der Sozialphilosph Hans Joas wies im Deutschlandfunk-Interview darauf hin, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 keine alleinige Erfindung des Westens, der Aufklärung, des Judentums oder des Christentums ist. Auch zwei Asiaten arbeiteten in der 18-köpfigen Vorbereitungskommission mit. Der chinesische Philosoph Peng-chun Chang brachte seine Ideen des Konfuzius und des Buddhismus ein. Der christliche Libanese Charles Habib Marlik brachte seine arabische Tradition ein. Neben diesen Asiaten waren der Kanadier John Humphrey, die Franzosen René Cassin und Jacques Maritain und Eleanor Roosevelt die Witwe des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt an der Abfassung beteiligt. Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit 48 Ja-Stimmen, 0 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen verabschiedet. Die Enthaltungen kamen von der Sowjetunion, der Ukraine, Weißrussland, Polen, der ČSSR, Jugoslawien, Saudi-Arabien und Südafrika.
Peng-chun Chang
Charles Habib Malik
René Cassin
Eleanor Roosevelts
John Humphrey 
Jacques Maritain
Joas im Deutschlandfunk
kathweb
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
 Menschenrechte

Die postmoderne Religion verspricht Gipfelerlebnisse

Dr. Peter Aschoff schreibt auf seinem Blog „peregrinatio“ über Zygmunt Bauman und die Sinnindustrialisierung : Wie „diesseitige Tranzendenz“ funktioniert, schildert Zygmunt Bauman in „Postmoderne Religion?“ so treffend, dass es auch nach gut 15 Jahren nicht minder aktuell klingt. Nicht die Konsumgüter an sich lassen die Kassen klingeln, sondern die Verheißung ungeahnten Erlebens – eine Art Heilsversprechen bzw. eine Form der Erleuchtung. Dazu muss der Konsument allerdings seinen Teil beitragen und an sich arbeiten, indem er nämlich seine Genussfähigkeit maximiert. Auch dafür gibt es selbstverständlich die passenden Dienstleistungen und Angebote:

Das Versprechen neuer, überwältigender, sinnverwirrender oder haarsträubender, jedenfalls immer erregenderer Erfahrungen gilt als das Verkaufsargument für Lebensmittel, Getränke, Autos und Kosmetika genauso wie Brillen oder Pauschalreisen. Alles lockt mit der Aussicht auf bis dato unbekannte Eindrücke, die zu »durchleben« stärker wäre als jegliches bereits Probierte. Jedes neue Gefühlserlebnis muss »größer«, überwältigender und aufregender werden als das vorherige, und das Schwindelgefühl eines »totalen« Gipfelerlebnisses winkt immer schemenhaft am Horizont.“

Solidarität mit Atheisten

In Bangladesch ist der atheistischer Blogger Avijit Roy umgebracht worden. Er erlitt bei einem Angriff mit Macheten tödliche Kopfverletzungen. Auch seine Ehefrau wurde bei der Attacke schwer verletzt. Sein Vater sagte der französischen Nachrichtenagentur AFP, dass sein Sohn viele Drohanrufe wegen seiner Bücher und seinem bekannten Blog Mukto-Mona erhalten hat. Im moslemisch geprägten Bangladesh ist im Jahr 2013 bereits der atheistische Blogger Ahmed Rajib Haider von einer kleinen Islamistengruppe ermordet worden. Bangladesh hat eine säkulare Regierung, die sich weigert, atheistische Blogger wegen Gotteslästerung hinzurichten. Als Zugeständnisse an die radikalen Moslem wurden 2013 Websites geschlossen und vier Blogger festgenommen. Als Christinnen und Christen treten wir für Pressefreiheit, Diskussionsfreiheit und Religionsfreiheit ein und verabscheuen dieses Verbrechen am atheistischen Blogger Avijit Roy und an dessen Frau Rafida Ahmed. Auf der Seite von www.muktomona.com steht: Wir trauern, aber wir sind nicht abgeschaltet.
Links: FAZ

Journalistenwatch
MSN
Mukto Mona (Freier Geist)

Conchita Wurst: unsterblich!

Kunstfigur Conchita Wurst

Conchita Wurst: eine Kunstfigur

Conchita, der Phönix aus der toten Asche

Conchita: spanisch, Inmaculada Concepción

Die Auferstehung des Travestiekünstlers Thomas Neuwirt

Conchita: spanisch, reine Empfängnis

Die Leugnung des Todes und die Leugnung des Unterschieds der Geschlechter bedeuten ein und dasselbe: Gott sein.
Der große Psychoanalytiker Conrad Stein (1924-2010) beschreibt einen Traum, bei dessen Niederschrift er sich mit einer Bäckerin identifizierte. „Von da aus sah ich mich, über eine weibliche Identifizierung, im Rahmen dessen, was Freud als Bisexualität eines jeden von uns bezeichnet, hinaus genötigt, auf eine Identität anderer Art zu schließen. Sie ist ich – ich bin sie. Ein einziges Wesen. Dabei handelt es sich nicht darum, die Attribute beider Geschlechter zu haben, sondern von dem einzigen Geschlecht zu sein, was voraussetzt, daß man dieses einzige Attribut besitzt, ja daß man es ebensogut auch ist. So bedeuten die Leugnung des Todes und die Leugnung des Unterschieds der Geschlechter ein und dasselbe. Gott sein.“ (Stein, 314f)
Adam und Eva wollen wie Gott sein und sind peinlicher weise nur nackt. Sie hängen sich Lendenschurze um, um ihre Peinlichkeit zu bedecken. Die Lendenschurze sind die neuen Autos, die angestrebte große Karriere, das Statussymbol, das die Sterblichkeit überdeckt. Wurde Conchita Wurst von Menschen gewählt, die sich verzweifelt bemühen, die eigenen Peinlichkeiten zu bedecken? Ist sie die geniale Verkörperung einer Lendenschurzgesellschaft, die sich überbietet, die eigene Sterblichkeit zu verstecken – und mit dieser Verkleidung die Unsterblichkeit zu erlangen? Möchte die Gesellschaft wie ein Phönix aus der toten Asche auferstehen? Wurde es ein Ostergottesdienst im Eurovision Song Contest? Wurde Conchita Wurst durch den ESC die populäre Kunstfigur des auferstandenen Christus?
Literatur: Conrad Stein, Das Unsterblickeitsverlangen
Sandler Willibald, Der verbotene Baum im Paradies (Was es mit dem Sündenfall auf sich hat), http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/800.html

Philosoph Holm Tetens: Menschen sind nicht Gott

Prof. Dr. Holm Tetens

Prof. Dr. Holm Tetens

Der Berliner Philosoph Holm Tetens beschäftigte sich mit der Wissenschaft und der Technik, mit deren Hilfe der Mensch Gott spielen möchte: „Für die Erkenntnisziele der Wissenschaft brauchen wir die Hypothese Gott nicht, zumal nicht, seit wir unter anderem mit Hilfe der Wissenschaft und Technik die Erlöserrolle, die einst Gott vorbehalten war, nun selber zu übernehmen versuchen.“ (in: Der Glaube an die Wissenschaften …, 281). Der Philosoph Hans Ludwig Ollig SJ unternimmt es, zwei Artikel von Tetens in der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ (April 2014) vorzustellen, in denen Tetens die Logik des Naturalismus aufzeigt. Dieser gibt vor, der einzige wahre Zugang zur Wirklichkeit zu sein und die Menschen ohne Gott zu erlösen. Dadurch macht er sich zur Religion. Tetens sieht einerseits in der technischen Beherrschung des Menschen die Freiheit des Menschen in Gefahr. Andererseits bezweifelt er, ob man in der Weltsicht des Naturalismus eine frohe Botschaft sehen kann: „dass nichts und niemand in diesem an sich lebensfeindlichen Universum uns Menschen will, dass wir Menschen nur zufällig und ohne Sinn und Absicht im Universum entstanden sind, dass wir eines Tages aus diesem Universum wieder verschwunden sein werden.“ (Die Möglichkeit Gottes, 11).

Wir Menschen sind, so Tetens, verstrickt in diese Welt und können uns dadurch nicht befreien. Auch sonst gibt es nichts Innerweltliches, was das Leiden und die Übel überwinden könne. Eine endgültige Erlösung lässt sich nicht beweisen, aber die Erlösungshoffnung ist nicht unvernünftiger als die Aussicht, die der Naturalismus bietet. Gott ist die Macht, die jemand annehmen muss, „der auf eine Erlösung hofft und im Vertrauen auf sie lebt.“ (Naturalismus und … 262). Tetens versteht seine Vorgehensweisen als religionsphilosophische Untersuchungen, die den Dialog zwischen Gläubigen und Ungläubigen fördern können. Der transzendentale Rahmen der großen Erlösungsreligionen konkurriert mit dem transzendentalen Rahmen des Naturalismus. Er ist in dem Satz zusammengefasst: „Gott erlöst uns Menschen und die Welt von allen Übeln und Leiden.“

Literatur:
Hans Ludwig Ollig SJ, Naturalismus und Erlösungsglaube, Holm Tetens‘ Perspektive auf das Religionsproblem, in: Stimmen der Zeit, Heft 4, April 2014; Herder
Holm Tetens, Der Glaube an die Wissenschaften und der methodische Atheismus. Zur religiösen Dialektik der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, in: NZSTh 53 (2013) 271-283
Holm Tetens, Die Möglichkeit Gottes, in: Sebastian Hödl / Henning Tegtmeyer (Hg.), Sinnkritisches Philosophieren. Berlin 2013, 11-38
Holm Tetens: Der Naturalismus: Das metaphysische Vorurteil unserer Zeit?