Archiv der Kategorie: Einsamkeit

Da hüpfte das Kind in meinem Körper

Maria und Elisabet

Niemand ist eine Insel, schrieb Mario Simmel. Aber jede und jeder hat seine eigene Welt. Es gibt Menschen, die schwer unter der Vereinsamung leiden. Es gibt aber auch Personen, die sich ihr Leben gut eingerichtet haben. In der Telefonseelsorge rufen Personen an, die unterschiedlichen Faktoren die Schuld an ihrer Einsamkeit angeben: „Die ganze Welt ist schlecht.“ „Ich bin bei schlimmen Eltern aufgewachsen.“ Ich gehe im Gespräch ihrer Geschichte nach und schaue, wo Ausnahmen auftauchen. Dies kann helfen, einen kleinen Schritt hinaus zu machen.

Es gibt auch religiöse Hilfen, die ich selbst erfahren habe. Ich sehe mich von Gott gerufen, als Mensch unter Menschen zu leben. Ich merke, dass er mir sehr geholfen hat, meine individuelle Realität anzunehmen, auf andere zuzugehen und in den anderen ihn, den verborgenen Gott, zu entdecken. So wie schwangere Elisabet in Marias Körper den kleinen Jesus als ihren Gott entdeckt hat und uns das mitgeteilt hat: „Die Mutter meines Gottes kommt zu mir! Da hüpft das Kind in meinem Körper.“

Was kommt auf uns zu?

Als wir im Frühjahr 2020 nach Deutschland zu einem Geburtstagsfest reisen wollten, gab es die ersten Corona-Todesfälle und unsere Kinder haben uns inständig gebeten, nicht zu reisen. Mittlerweile hat die Menschheit den schwierigen Kampf gegen das Virus aufgenommen. Jetzt beginnt der Advent und wir sind in der Erwartung, dass wir ein schönes Weihnachten erleben können. Einige feiern das als Familienfest, einige sind allein, einige machen Urlaub, einige gehen zu den Gottesdiensten und allen ist zu wünschen, sich auf Jesu Geburt zu besinnen, denn in ihm ist Gott Mensch geworden, um uns zu helfen. Wir können seine Hilfe oft gut annehmen. Einige lehnen es ab, seine Hilfe anzunehmen. Aber vielleicht gelingt es ihnen, über ihren Schatten zu springen und ihm zu trauen. Gott steigt ja auch herab und wird ein Kind in einer Futterkrippe. Ich bitte ihn, dass er unsere zerstrittenen Gemeinschaften heilt:
Schick uns deinen guten Geist, sodass wir einander verzeihen können, dass wir über Mauern springen und versuchen, einander zu verstehen und neu anzufangen. Wenn nicht alle mitmachen, dann müssen wir mit der Zerrissenheit leben bis – ja, bis die große Erlösung kommt. Auch das verspricht uns Jesus und der Geist begleitet uns. Dieser gestaltet mit uns den Advent.

Warum Leiden?

Leiden ist ein Zumutung. Wie ich mir die biblischen Texte zum letzten Sonntag angesehen habe und dann im Gottesdienst gehört habe, ist mir aufgefallen, dass es vor allem im Jesaja-Text eine Auffassung von Schuld und Leiden auftaucht, die ich ablehne. Schuld ist kein Gegenstand, kein Paket, das ich mit Arbeit oder Leiden abarbeiten kann.

Im Alten Testament werden die Katastrophen der Geschichte des Volkes Israel als Folge der Schuld und des Fehlverhaltens erklärt. Auch Personen, die leiden, sind selber schuld. Es gibt dagegen wie bei Hiob eine Reflexion, die zeigt, dass Unschuldige leiden. Auch in den sogenannten Gottesknechtliedern beim Propheten Jesaja wird diese Form der Erklärung des sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhangs, kritisiert. Der unschuldige Gottesknecht übernimmt die Schuld der anderen in seinem Leiden und kann die anderen von der Schuld erlösen. Diese Erklärung wird dann auch von einigen in der jungen Kirche auf Jesus übertragen. Bei Markus 10,45 steht: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ Das Lösegeldmotiv wurde dann auch auf das Gefängnis der Schuld übertragen. Damals gab es Schulden-Gefängnisse oder Schuldsklaverei, wo Lösegeld notwendig war, um die Menschen daraus zu befreien. Aber wenn Jesus nicht mit Geld, sondern mit seinem Leben bezahlt, um andere von Schuld zu befreien, dann ist das keine wirtschaftliche Schuld, sondern eine Schuld gegenüber Gott und Gott wird zum Gefängnisaufseher. Sein Sohn soll durch sein Leben als Lösegeld die Gefängnisinsassen befreien. Das ist aber absurd. Gott könnte die Gefangenen einfach entlassen und sein Sohn müsste nicht sterben. Diese Erklärung ist mit der Botschaft Jesu von Gottes Verzeihen nicht gedeckt. Befreiung geschieht bei Jesu Handlungen und Heilungen als Befreiung von Angst und Einsamkeit.

Es stellt sich die Frage: Warum ist Jesu Leiden, sein Tod, seine Auferstehung und seine Geistsendung eine Befreiung? Der Hebräerbrief bringt uns auf eine Spur, die Licht ins Dunkel bringt: „Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat.“ (Hebräer 4,15)

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Jesus ist weggegangen. Was nun?

Christus ist zu seinem Vater gegangen und hat die Jüngerinnen und Jünger mit der Erinnerung an seine Wunder, seine Taten, sein Leiden und seine Worte allein gelassen. Es ist kein endgültiger Abschied, denn er hat uns versprochen, dass er wiederkommt.
Wenn Jesus zu seinem Vater geht, dann sind wir aber allein.

Wir, das Volk, die Versammlung, die Kirche wird ohne Jesus arm. Die Priester, Bischöfe und der Papst in Rom können nicht so tun, als würden sie als Stellvertreter Jesu in seiner Macht handeln. Denn dann müsste er anwesend sein, was er nicht ist. Papst Franziskus hat das angedeutet: Ich will eine arme Kirche. Arm sind wir, wenn Jesus nicht mehr da ist.

Zehn Tage nach Christi Himmelfahrt kommt aber jemand zu uns, der unsere Einsamkeit aufhebt. Der Heilige Geist kommt auf uns herab. Es ist Gott, der sich als Geist offenbart. Seit 2000 Jahren leben wir Christinnen und Christen mit diesem Schöpfer Geist.

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Vincent Bueno – Amen Lyrics | Genius Lyrics

“Amen” by Vincent Bueno will represent Austria at the Eurovision Song Contest 2021, held in Rotterdam, the Netherlands. The song will compete in the second semi-final on Thursday

Quelle: Vincent Bueno – Amen Lyrics | Genius Lyrics

„Amen“ auf Deutsch und das Video:

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Thomas Bernhard: Ich bin so allein

Am 9. Februar 2021 wäre Thomas Bernhard 90 Jahre alt geworden.
Mir gefallen seine ausdrucksstarken Texte. Zwei Texte veröffentlichte er 1958, die mir sehr nahe gehen.

Der eine beginnt mit:
Ich weiß keine Straße mehr die hinaus führt
ich weiß keine Straße mehr
komm hilf
ich weiß nicht mehr was mich befallen wird in dieser Nacht
ich weiß nicht mehr was Morgen ist
und Abend
ich bin so allein
o Herr
und niemand trinkt mein Leiden
keiner steht an meinem Bett
und nimmt die Qual mir ab
und schickt den Wolken mich
und grünen Flüssen
die ins Meer hinrollen …

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Der Glaube war stärker

Dominic Thiem gewann das große Tennisturnier US Open 2020 in New York City. Nachdem er den Deutschen Alexander Zverev in einem dramatischen Schlagabtausch niedergerungen hatte, regierte bei Thiem nach Kampf und Krampf vor allem die Erleichterung: „Irgendwie war heute der Glaube stärker als der Körper.“
Es sah am Anfang so aus, als würde Dominic Thiem den Kürzeren ziehen, doch er kämpfte sich zurück und gewann. Das ist Durchhaltevermögen, das ich bewundere. ORF

Jesus erzählt, dass es mit dem Himmelreich wie mit einem Gutsbesitzer ist, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg zu holen. Es sind Tagelöhner, die keine fixe Arbeit hatten. Einige Tagelöhner sind deprimiert, sodass sie erst spät zum Marktplatz kommen. Auch denen geht der Weinbergbesitzer nach und holt sie in seinen Weinberg. Er versucht es immer wieder und lässt nicht locker. Das ist Durchhaltevermögen, das ich bewundere

Gott lässt nicht locker. Er geht mir nach, lässt mich nicht allein, holt mich in seinen Weinberg. Das ist Durchhaltevermögen, wofür ich sehr dankbar bin.

Die ganze Natur steht in Flammen der Liebe

Übergänge
Die ganze Natur steht in Flammen der Liebe, geschaffen durch die Liebe, um die Liebe in uns zu entzünden.

Der Mystiker Ernesto Cardenal schreibt in der Meditation über die Natur:
Die Abende und die Nächte sind ruhig und einsam, weil Gott sie für die Kontemplation geschaffen hat. Die Wälder und die Wüsten, der Sternenhimmel und die Berge sind geschaffen, damit wir uns in sie versenken.

Die Elstern und die Chocoyos erzählen uns von Gott, und es ist Gott, der ihnen die Sprache gegeben hat. Alle Tiere, die im Morgengrauen ihre Stimme erheben, singen Gott. Die Vulkane und die Wolken und die Bäume schreien uns von Gott. Die ganze Schöpfung schreit uns durchdringend, mit einem großen Schrei, von der Existenz und der Schönheit und der Liebe Gottes. Die Musik dröhnt es uns in die Ohren, und die Landschaft ruft es uns in die Augen.

An jeder Straßenecke finde ich Briefe Gottes« sagt Whitman und „Das grüne Gras ist ein duftendes Taschentuch Gottes mit Seinen Initialen, das Er fallengelassen hat, um uns an Ihn zu erinnern“. So verstehen die Heiligen die Natur, so verstand sie Adam im Paradies. (Und auch die Dichter und Künstler verstehen sie in gewisser Weise und unter gewissen Umständen, wie Adam und die Heiligen sie verstanden haben.)

In der ganzen Natur finden wir die Initialen Gottes, und alle erschaffenen Wesen sind Liebesbriefe Gottes an uns.

Die ganze Natur steht in Flammen der Liebe, geschaffen durch die Liebe, um die Liebe in uns zu entzünden. Und es gibt keinen anderen Grund für die Existenz aller Wesen; sie haben keinen anderen Sinn und können uns keine andere Befriedigung gewähren als dies: in uns die Liebe Gottes zu entzünden. Die Natur ist wie ein Schatten Gottes, ein Widerschein und Abglanz Seiner Schönheit. Der stille blaue See ist ein Widerschein Gottes. In jedem Atom wohnt ein Bild der Dreifaltigkeit, eine Figur des dreieinigen Gottes.

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Befreit von Angst und Einsamkeit

Äpfel sind gesund. Jeden Tag einen Apfel und ich brauch nicht so oft zum Arzt. Außer ich bin allergisch gegen Äpfel. Ansonsten gibt es im Alltag sinnvolle Regeln, die einen gesund erhalten. Viel Bewegung, vielseitige Ernährung, Freunde treffen, eine gute Partnerschaft pflegen und mit Gott Kontakt halten. Das hält gesund. Wenn ich einen Bereich vernachlässige, kann es übel ausgehen. In den christlichen Gemeinden versuchen wir die Kontakte untereinander zu pflegen, die Familien zu unterstützen, dort zu helfen, wo wir gebraucht werden und die Beziehung mit dem aktiven und dreifaltigen Gott zu pflegen.
Jesus staunte nicht schlecht. Jene Aussätzigen, die durch Gott geheilt wurden, ließen sich zwar von den Priestern begutachten, aber verabsäumten es, sich bei Gott zu bedanken. Es stießen da zwei unterschiedliche religiöse Arten aufeinander: Gesetzesreligion und Beziehungsreligion. Die Gesetzesreligion ist eine Vorstellung von Religion, die auch heute für viele gilt. Sichtbar wird sie im strengen Islam und im orthodoxen Judentum. Sie kümmern sich um die Gesetze von gutem und schlechtem Verhalten im Alltag. Der Islam kennt die Sharia, das Judentum kennt die Kaschrut. Nahrungsmittel sind koscher oder halal. Dazu kommen noch Kleidervorschriften, Haarvorschriften, Fastenvorschriften und Gebetsvorschriften. Das Christentum kennt zwar auch Gesetze wie die 10 Gebote, sie sind aber wie weite Straßenbegrenzungen. Denn für Jesus ist das Heilen und die Liebe wichtig. Er zeigt uns die Liebe zum Nächsten und die Ausrichtung auf das göttliche Du. Beide befreien mich von Angst und Einsamkeit.

Hilfe! Ich will raus

Gefangen in mir selbst. Wer hilft?

Egon_Schiele_-_Self-Portrait_with_Striped_Armlets„Ich bin mitten im Abgrund. Ich spüre meine Haut wie eine Grenze.“ So beschreibt der Ich-Erzähler vor seinem Selbstmord im Roman „Die Ausweitung der Kampfzone“ von Michel Houellebecq seine Situation. „Die Außenwelt ist das, was mich zermalmt. Heilloses Gefühl der Trennung: von nun an bin ich ein Gefangener in mir selbst“. Ich halte es mit dem Philosophen Eric Voegelin, der meint, dass da der Bezug zum göttlichen Grund, zum großen Du und damit auch zur Welt fehlt.

Ähnlich ergeht es Jugendlichen, die sich ritzen. Sie ritzen sich mit spitzen Gegenständen meist in die Unterarme. Grund ist oft eine Traumatisierung durch Missbrauch und Misshandlung. Die Betroffenen beschreiben das Ritzen als verzweifelten Versuch, ein Ventil, eine Öffnung zu schaffen, wieder atmen zu können.

Dies zeigt mir, welche Kraft und Sehnsucht nach Öffnung wir Menschen haben. Aber wenn wir nur in dieser Welt suchen, bleibt die innere Leere und im Extremfall die Sucht. Erst wenn ich den unbegrenzten Gott zulasse, komme ich aus der Gefangenschaft in mir selbst heraus.

Eine Ähnlichkeit zu dieser Ich-Abgeschlossenheit beschreibt das Evangelium Johannes 20,19. Die Jünger haben die Türen abgeschlossen. Sie fürchteten sich vor der Außenwelt. Was kann ihnen helfen?